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Dieses komische Phänomen Religion

Der grösste Teil der Bevölkerung Vanuatus lebt in mehr oder weniger eigenständigen Dörfern, die sich überwiegend selbst versorgen und oft nur aus den Mitgliedern einer Familie bestehen. Jedem Dorf steht ein Chief vor, der sich um das Wohl des Gemeinwesens kümmert. Mit der Wahl zum Chief erhält der Gewählte einen neuen Namen, mit dem er eine bestimmte Häuptlingsreihe fortführt. Jedes Dorf hat seine eigenen Traditionen, oftmals eine eigene Sprache und zum Teil auch eigenen Götter. Zumindest grob könnte man sagen, dass von Insel zu Insel eigene Welten existieren.

Insgesamt leben nur knapp 280.000 Menschen auf den 83 Inseln Vanuatus, das sind etwa so viele Einwohner wie Bonn hat. Trotzdem existieren mehr als einhundert verschiedene Sprachen. Manchmal unterscheiden sie sich zwar nur durch unterschiedliche Dialekte, manchmal sind die Unterschiede aber ganz anders geartet. Wir haben nur drei verschiedene Inseln besucht, aber auch da hat man deutliche Unterschiede im Inselleben gespürt. Die konnten in einfachen Dingen ersichtlich werden, wie zum Beispiel im Aussehen, aber auch in solchen der Lebensumstände. Obwohl Vanuatu christianisiert worden ist, haben ihre eigenen Götter und Kulte nie aufgehört zu koexistieren. Im Gegenteil: Gewisse Religionen sind sogar noch hinzugekommen.


Auf Tanna ist eine religiöse Gemeinschaft beheimatet, die uns besonders verrückt und absurd erscheinen mag. Der Glaube wurde im Laufe des letzten Jahrhunderts sogar noch verstärkt, religiöse Ansichten aktiv verändert und noch heute gibt es Anhänger des sogenannten cargo-Kultes, die jeden Freitagabend ihren Glauben in Zeremonien zelebrieren. Zu diesen gehört auch das Hissen der amerikanischen Flagge und im Stechschritt marschieren.


Seit Ende des 18. Jahrhunderts existiert der Glaube an John Frumm. In John Frumm wird ein weißer Mann gesehen, der nach Vanuatu kommen wird und den Inseln materiellen Wohlstand in Form von technischen Geräten bringt. Seit dem zweiten Weltkrieg wurden die Wohlstandsvorstellungen erweitert. Man glaubt an Geschenke in Form von Waschmaschinen, Flachbildschirmen, Kühlschränken, TVs, Jeeps, Kameras oder Kinos. All das waren Dinge, die zu einer Förderung des eigenen Lebensstandards führen würden, deren Herstellung man sich aber nicht vorstellen konnte und auch nicht glaubte, dass es diese überhaupt gibt. Alles, was in Vanuatu hergestellt wird, kommt auch aus Vanuatu! Alles wird aus lokalen Stoffen gewonnen und verarbeitet. Die Anhänger von John Frumm glauben, dass technische Geräte nicht ohne Anwendung von Magie entstehen könnten. Und da der weiße Mann die technischen Geräte nach Vanuatu brachte, musste der weiße Mann auch zu großen und besonders mächtigen magischen Handlungen fähig sein.

Woher der Glaube an John Frumm kommt, weiß man nicht genau. Es gibt die Vermutung, dass die Aussage „John from ...“ irgendwie falsch verstanden worden ist und ein gewisser John aus Amerika irgendwann in Vanuatu war, sich vorstellte und eben über einen gewissen Wohlstand verfügte. Irgendwann verschwand der mysteriöse John wieder und seitdem wartet man auf seine Rückkehr. Man glaubt, dass er irgendwann mit einem Flugzeug voller Waschmaschinen zurückkehrt und für diesen Moment hat man in Tanna schon Vorkehrungen getroffen und extra eine Landebahn in den Dschungel gerodet.


Die amerikanischen Soldaten, die im zweiten Weltkrieg nach Vanuatu kamen, waren fast alle schwarz. Aber auch sie verfügten über technisches Gerät. Die Hoffnung der Cargo-Anhänger wurde freudiger! Sie folgerten, dass der weiße Mann seine Magie sowohl auf Weiße als auch auf Schwarze übertragen konnte. Phantastisch!


Darüber hinaus wurde der Kult weiter geöffnet und eine zweite Strömung entstand. Vanuatu war kolonialpolitisch zwischen Frankreich und Grossbritannien aufgeteilt worden. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde der Duke of Edingburgh ebenfalls mit in den Kult einbezogen und Prince Philipp wurde als gottgleich verehrt. Die Kolonialherren verstanden dieses Faktum schnell für sich zu nutzen und versorgten die cargo-Anhänger mit Fotografien Philipps. In den Unabhängigkeitsbestrebungen des Landes wollte man die cargo-Anhänger auf seiner Seite wissen. Immer wieder wurden Vertreter geschickt, schöne Grüße auszurichten und Fotos mit Widmungen zu verteilen, von denen eine Sammlung angelegt worden ist. Die Kultanhänger ihrerseits bereiteten sich auf die Ankunft ihres John Frumm alias Prince Philipp vor und wählten Frauen aus, die ihm mitsamt einer Mitgift bestehend aus zahlreichen Schweinen übergeben werden sollten. Damit auch Philipp sich vorbereiten konnte, wurde ihm ein besonders schmuckhaftes Penisrohr zukommen gelassen.


Aus der Zeit der Unabhängigkeitsbestrebungen Vanuatus sowie der Unabhängigkeitsbestrebungen einzelner Inseln in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts sind uns detaillierte Vorstellungen überliefert, was das Aussehen John Frumms betrifft. Da gibt es auch wieder zwei Vorstellungen. Die eine sieht ihn als einen Mann mit einem riesigem Hut, dessen Krempe das Gesicht überschattet. Er soll eine sehr piepsige Stimme haben und mit einem goldenen Auto über die Insel fahren. Die andere Vorstellung beschreibt ihn als Mann, der in Noahs Arche rumcruist. Aus dieser Beschreibung geht die Annahme hervor, dass sich die John Frumm Bewegung bereits aus der Christianisierung heraus gebildet haben könnte. Irgendein Missverständnis mit einem der Johannesse des Neuen Testamentes kann als Ursache gesehen werden.


Alles in allem ist der John Frumm Kult kaum in seine Ursprünge zurückzuverfolgen. Die Stränge und Flügel der Kultgemeinschaft und deren Ursprünge wiederum sind ebensowenig klar und rekonstruierbar. Was jedoch zweifelsohne gültig ist, ist die Tatsache dass der Kult nach wie vor aktiv zelebriert wird. Seit der Unabhängigkeit Vanuatus hat sich diesbezüglich kaum etwas geändert.


Wie auch immer diese Religion zu verstehen sein mag, sie ist komisch. Aber wenn man einmal etwas ernsthafter über all das nachdenkt, dann kann man großes Potential für die ganze Menschheit aus der Hoffnung schöpfen, die den zentralen Kultinhalt bildet. Wir haben da mal hin und her überlegt und wir denken dass wir eine Lösung für das Rätsel dieses Kultes gefunden haben und darüber hinaus auch für das weltpolitische Dilemma, in dem wir gerade stecken. Der Name John Frumm selbst war von Anfang an ein Missverständnis, was man den armen Tannesen vergeben muss, sie wussten es einfach nicht besser. Der Erlöser aus Amerika hiess gar nicht John Frumm, sondern Don Trum(p). Und es wäre eine grosse Freude für jedermann, wenn man dem guten Mann mal klarmachen könnte, dass man als Gott ein sehr viel wunderbareres Leben hat als als Präsident. Wir würden es jedenfalls sehr feiern, wenn er seinen spirituellen Pflichten schnellstmöglich nachkäme und fürderhin, nur mit einem gigantischen Penisrohr bekleidet, den paradiesischen Strand in Port Resolution mit seiner göttlichen Präsenz erleuchtet. Don Trump, der Messias, auf den alle gewartet haben. Erlöse die Vanuatesen mit Wohlstand und weisser Magie! Komm, Don, komm nach Tanna und lasse dich preisen. Und die ganze Welt wird ein besserer Ort! Statt Melania Melanesierinnen. Sieben Jungfrauen werden dir geschenkt, du wirst umsorgt, gepflegt, kannst huren und wirst dafür angebetet. Verlege dein Imperium nach Tanna (aber bitte nur dahin) und versammle alle um dich herum. Du bist ein unsterblicher Gott und hast nicht nur deine Gemeinde sondern die ganze Welt errettet indem du dorthin gehst. Amen.

Wer erklärts ihm? Er machts doch bestimmt.


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