Buenos Aires
Götz hat neulich treffend formuliert: Nimm all das, was an Europa schön ist, pack es alles in einen großen Mixer, wirf noch ein bisschen Sonne rein und schüttel einmal kräftig, danach kommt Buenos Aires raus.
Wir hatten das große Glück, dass wir zweieinhalb Wochen in dieser unglaublichen Stadt verbringen konnten. Ich hab in Buenos Aires einen Sprachkurs gemacht und Götz hat ein bisschen geschrieben. Die Nachmittage haben wir zusammen verbracht, sind durch die vielen bunten Viertel gezogen und haben die Genüsse des multikulturellen Lebens genossen. Das Essen in Buenos Aires ist einfach nur traumhaft, fast alle Küchen der Welt sind vertreten, aber das Italienische und das Spanische überwiegen natürlich.
Unser Lieblingsviertel Palermo, in dem wir auch gewohnt haben, zeichnet sich durch seine Restaurant- und Barvielfalt aus. Hier kann man sich genüsslich durch die Gegend schlemmen und in den zahlreichen Cafés und Biergärten die Köstlichkeiten der eigenen Brauereikulturen zu probieren. Am allerschönsten in Palermo ist aber die Buchladenkultur! Fast jede libreria hat ihr eigenes kleines Café, manchmal sogar in einem schönen grünen Innenhof. Hier kann man sich die Nachmittage vertreiben. Meistens gibt es auch noch etwas zu essen, kleine Salate, Quiche oder Kuchen. Der Kaffee ist lecker, der Wein ist gut und die Bücher kann man sich nach Lust und Laune aus den Regalen nehmen und lesen. Ach wie hab ich das geliebt, diese Orte hatten ihren ganz eigenen Zauber, irgendwie.
Palermo hat uns, wie gesagt, am besten gefallen. Das lag nicht nur an der Gemütlichkeit des Viertels, sondern auch an den vielen tausend kleinen Lädchen, die alle ihren eigenen Charakter haben, an den Garagenwerkstätten, an den zahlreichen Eisdielen, den ganzen kleinen Gässchen, den buntbemalten Wänden und dem kreativen Geist, gepaart mit einer unregulierten Baukultur, der über allem lag. Das Lebensgefühl, das so einen zeitlosen Touch von Südeuropa vermittelt.
Buenos Aires möchte diesen europäischen freien Geist auch vermitteln, das fällt beim Spazierengehen schnell auf. Überall wird für seine Produkte mit einer Herstellungstechnik à la irgendeineuropäischesLand geworben: das Bier schmeckt wie in Deutschland, der Friseur schneidet wie in Frankreich und die Pizza schmeckt original italienisch. Man sitzt in den Cafés, liest oder schreibt Bücher. Es gibt in Buenos Aires zahlreiche Museen und Galerien, die man besuchen kann und die Kultur wird überhaupt sehr groß geschrieben.
Auch was die Denkmäler angeht, so werden viele europäische Klassiker kopiert und tauchen in Buenos Aires an allen möglichen Ecken auf:
Die porteños lesen so viel wie kaum irgendwo anders und reflektieren viel über das Leben und das Land. In Argentinien hat jeder dritte Einwohner seinen Psychologen und in Buenos Aires wahrscheinlich jeder. Nirgendwo auf der Welt gibt es mehr Pro-Kopf-Psychologen wie hier und nirgendwo gibt es so viele Psychologiestudenten und Fakultäten. Und angeblich gibt es auch nirgendwo so viele Depressive, wie hier, ein Leid, das seinen Ausdruck im klagevollen Tango findet.
Die Argentinier sind trotz der angeblichen depressiven Gefühle ein übermäßig offenes Völkchen und man kommt hier sehr schnell ins Gespräch. Man plaudert dann über alles mögliche, aber die Lieblingsthemen der Argentinier sind vor allem: Essen! Irgendwann danach kommen noch ein paar andere Lieblingsthemen, wie (anderes) Essen, Rezepte, Fußball, die Arbeit und das Leben im Allgemeinen. Buenos Aires bekommt die europäischen Trends mit, es ist wohl die einzige Stadt in Argentinien, in der man über gesunde Ernährung nachdenkt, in der Vegetarier und sogar Veganer leben und in der es einige Biomärkte gibt. Viel weiter als Buenos Aires kommen die leider nicht. Aber hier gibt es neben den kleinen Lädchen auch die Sonntagsmärkte, an denen lokale Produkte verkauft werden und leckeres Essen frisch zubereitet wird. Die Märkte sind in Buenos Aires ohnehin sehr schön, es ist eigentlich egal, auf welchen man geht. Neben den Lebensmittelmärkten gibt es vor allem Kunstmärkte, auf denen super schöne und ideenreiche Dinge verkauft werden.
Der berühmteste Markt ist der in San Telmo, aber in allen möglichen Ecken, Plazas und Vierteln werden am Sonntag die Verkaufsstände aufgebaut. Ein weiteres Sonntagsvergnügen ist ein Besuch in La Boca, jenem Viertel, das den großen Maradona hervorgebracht hat und vor allem durch seinen Fußballverein bekannt ist. Hier wird auf den Straßen Tango getanzt und übergroße Pappmachéfiguren winken den Besuchern von den Balkonen hinunter zu. Alte Plattenspieler liefern den romantischen Soundtrack zum Spaziergang und die bunten Häuser La Bocas sind Blickfänger und laden zum Stehenbleiben und Verweilen ein.
Grundsätzlich gibt Buenos Aires in Argentinien den Ton an. Fast 13 Millionen Menschen leben in der Provinz Buenos Aires, knapp 4 Millionen in der Hauptstadt, trotzdem sagen alle, sie kommen aus Buenos Aires. Ob Provinzkaff oder nicht, ist egal, Buenos Aires zählt und der auffällige Dialekt, der dort gesprochen wird und dich in ganz Südamerika als porteño ausweist.