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Der argentinische Gaucho

  • apahlenberg
  • 4. März 2018
  • 3 Min. Lesezeit

Den argentinischen Gaucho haben die meisten wohl als einen freien Mann im Kopf, der vor geraumer Zeit einsam durch die Pampa ritt, nur sich selber treu und keinem Gesetz je untertan war. Frei von Besitz in materialistischem Sinn und frei von jeglichen Fesseln einer Klassengesellschaft. Ein Mann, der auf seinem Pferd durch die Gegend streift, seinen Mate trinkt und nicht viel mehr besitzt als seinen Poncho, seinen Stolz und sein Messer.

Der Gaucho verkörpert Freiheit und Männlichkeit und in Wirklichkeit ist jeder Argentinier noch ein Gaucho, tief in sich drin. Und der innere Gaucho wird vor allem beim Asado aufgeweckt. Nichts beschreibt wohl besser die argentinische Kultur als Mate und Asado. Beides lernt man in dem Moment kennen, in dem man seinen Fuß auf argentinischen Boden setzt und beides ist dem Argentinier heilig. Auf den Strohhalmen des Mate steht sogar santo mate drauf, und wie zum Matetrinken bietet sich auch zum Asado eigentlich immer eine Gelegenheit. Asado bezeichnet dabei nicht nur den Grill und die die Handlung an sich, sondern auch den Ort, an dem man Asado macht sowie den Anlaß des Treffens. Beim Asado kümmert sich der Asador, also der Grillmeister, von Anfang an um seine Gäste. Er kauft das Fleisch ein, er bereitet es vor, er grillt es.

Die hier als Exempel verwendeten Fotos zeigen übrigens meinen Lieblingsasador Tim! Liebenswerterweise durfte ich zwei Wochen bei ihm, seiner hinreißenden Frau Tita und dem zuckersüßen Sohnemann Ferrán zu Gast sein und auch mit Götz noch einmal zusammen wiederkommen. Tim hat ja schon in Bonn immer hervorragende Asados gemacht, aber hier in Argentinien sind seine Grillkünste zur absoluten Perfektion gereift. Tim ist der geborene Asador, der leibhaftige Gaucho und mittlerweile durch und durch Argentinier. Danke Tim, für die tollen Asados und danke, dass ich dich so stolz als Vorzeigeasador präsentieren darf ;)

Beim Asado gilt die alte Sparsamkeit aus Gauchozeiten: Mehr als mit Salz und Zitrone wird eigentlich nicht gewürzt. Ketchup, Senf oder irgendwelche Knoblauchsaußen isst man auf keinen Fall dazu, höchstens chimchurri ist erlaubt, aber grundsätzlich ist außer Fleisch allerhöchstens ein grüner Salat mit ein paar Tomaten zu erwarten. Grundsätzlich wird Rindfleisch gegrillt, Pollo kommt nicht in Frage und Schwein gilt als Gaumenschmauß. Im Gegensatz zu unseren deutschen Grillgewohnheiten, die sich ja oft auf Steak und Würstchen beschränken, kommt beim Asado so ziemlich alles auf den Grill: Da gibt es kleine dicke Würstchen und Blutwurst, Innereien vom Darm bis zu Nieren, Pansen, Kalbsbries oder gerne auch mal Rinderhoden. All dies gilt als Appetitmacher, danach wird das eigentliche Fleisch serviert, Bauchteile und Lende, die fettreichen Teile, Steaks folgen dann als fetärmere Fleischstückchen. Eine Erfindung des Argentiniers ist übrigens auch die Fleischpizza: Man nehme ein Stück des Rinderbauches, brate es zwei Stunden lang durch, schmiere Salsa drauf und streue schließlich in dicken Scheiben Käse drüber: was für uns pervers klingt, das ist für den Argentinier die Vollendung. Das Rezept kann natürlich von Asador zu Asador ein wenig abweichen, manche belegen ihre Fleischpizza gerne mit etwas mehr, als nur Käse. Der Phantasie sind hier keine Grenzen gesetzt, die Gäste gilt es zu überraschen. Gibt es einen superbesonderen Anlaß (denn eigentlich ist jeder Tag Anlaß zum Asado!), dann wird auch mal eine Ziege oder ein Schwein auf den Grill geworfen, die man entweder beim Metzger seines Vertrauens oder als Ganzes aus dem Tiefkühler im Supermarkt holt.

Der Asador kann schon mal kritisch vor seinem sich bereits biegenden Grillrost stehen und sich fragen, ob das auch wirklich für die Handvoll Gäste reichen wird, die er eingeladen hat. Zwei, drei Personen kommen spontan immer noch dazu, das kann man ganz gut voraussagen. Zwischen einem halben Kilo und einem Kilo Fleisch wird beim Asado pro Person gerechnet, denn der Alptraum jedes Asadors wäre es, wenn ihm das Fleisch ausgehen würde. Das darf niemals passieren! Das wichtigste Gesetz ist also: Fleisch im Übermaß! Und das andere wichtigste Gesetz ist: Asador ist Asador, dem Asador darf nicht reingeredet werden, auf keinen Fall. Das würde an Majestätsbeleidigung grenzen, denn der Asador ist der perfekte Gastgeber und man huldigt ihm, versorgt ihn mit Bier, leistet ihm Gesellschaft und tauscht sich höchstens über Erfahrungen aus. Es werden Rezepte geteilt und Geschichten erzählt, Erfahrungsberichte und Techniken zum Besten gegeben. Man grillt in Argentinien mit Holz und verwendet die abfallende Asche als Glut für das Fleisch. Der Asado ist eine archaische Tradition, der Gaucho hatte ja schließlich auch keinen Grillanzünder oder sowas. Und ehrlich gesagt: Es schmeckt auch einfach besser. Das Fleisch wird somit stundenlang durchgegart, bleibt frisch und saftig. In Argentinien isst man nicht gerne medium, erst recht nicht blutig. Hier wird das Fleisch cocido gegrillt, durch! Wenn alles fertig ist, dann wird zusammen gespeist. Der Asador bedient seine Gäste und zum Abschluss der Zeremonie applaudieren diese wiederum dem Asador. Dieser hat nun seinen Job getan: Niemals würde er zum Aufräumen oder Abwaschen gebeten werden, er darf nun seinen Feierabend genießen, am besten mit Fernet-Coca, dem zweiten argentinischen Nationalgetränk.


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