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Roadtrip in Argentiniens Norden (Teil 1)


Ich weiß, dieser Blogeintrag hat nun wirklich auf sich warten lassen! Aber ich habe so lange gebraucht, um die Fotos zu sortieren! Es war wirklich der Wahnsinn, wir haben fast dreitausend Fotos auf rund dreitausend Kilometern geschossen und im Grunde genommen kann kaum eines davon die grenzenlosen Weiten dieses wundervollen Argentiniens wiedergeben, wie wir sie in den zweieinhalb Wochen erlebt haben, als wir von Mendoza aus in den Norden gestartet sind. Von diesen dreitausend Fotos kamen rund dreihundert in die engere Auswahl - und mal gucken welche ich davon jetzt letztendlich nehme. Mir ist jetzt schon klar, dass für die ganze Tour und mit den ganzen Abenteuern, die wir dabei erlebt haben, ein Eintrag nicht reichen wird.

Als wir losfuhren war das Wetter noch wechselhaft und bewölkt. Wir machten uns schnurstracks auf den Weg in Richtung Anden und schon bald erwarteten uns die ersten Blicke auf die schneebedeckten Wipfel der 6000er, die allerdings noch über 200 Kilometer von uns entfernt lagen, wie wir mit Blick auf die Karte erstaunt feststellten. Wir bemerkten schon nach einer knappen Stunde Fahrt, dass sich uns eine Landschaft öffnete, die eine unsagbare Farbenpracht aufwies und unendlich weit war. Diese Weite ließ uns staunen, doch das Staunen steigerte sich ins Unermessliche, je weiter wir fuhren.

Zum Beispsel dieses letzte Foto zeigt nur einen kleinen Ausschnitt und wurde mit großem Zoom in ein Tal hinein fotografiert, das, keine Ahnung, wie riesig war, wir haben es mit dem Saarland verglichen (nachdem wir es abends auf der Karte studiert haben). Hier noch ein Foto von oben. Hinter dem vorderem Hügel und den kleinen aufgehenden Bergen waren es sicher noch 80 Kilometer und das Tal zog sich von links bis rechts zum Horizont weiter, wir haben die Enden nicht gesehen:

Was an unserer gesamten Fahrt so irre und einmalig war, das waren die ganzen unterschiedlichen Berge, durch die wir durch gefahren sind, die ganzen Farben, die uns begegnet sind. Von Landschaften, die sich in Australien, Mexiko, in der Schweiz oder auf dem Mond befinden könnten, war einfach alles dabei. Und auch, wenn sich Landschaften schnell geändert haben, so haben sie dann stundenlang, ja manchmal tagelang, ihr Gesicht nicht mehr verändert.

Wir sind knapp 3000 Kilometer in etwas mehr als zwei Wochen durch die Landen gefahren. Und das ging natürlich nicht ohne Hindernisse. Nicht immer sahen die Straßen so aus, wie auf den oben gezeigten Fotos. Sehr selten nur, sogar! Wir haben ungefähr jeden Tag mindestens eine absolute Abenteuerpiste zurückgelegt, unter absoluter Angespanntheit, wussten wir doch nicht, wie zäh unser wirklich kleines Auto tatsächlich ist. Wir haben uns zwar im Groben an der Richtung der berühmten Ruta 40 gehalten, aber jede Empfehlung von Locals und jede auf unseren Karten als noch schöner anmutende Strecke gehalten. Sprich, die meiste Zeit waren wir Offroad unterwegs und haben gebetet, dass wir den jeweiligen Teilabschnitt sicher überstehen würden.

Es kam dann noch folgendes erschwerend hinzu. Seitdem wir in Argentinien waren (und das war schon seit Mitte Januar, nur mal so zur Erinnerung), meldeten die Nachrichten Hochwasser im Norden. Als wir unseren Weg gen Norden auf uns nahmen, da war es schon Anfang März! Wir haben das irgendwie gar nicht mehr so im Kopf gehabt... Also kam es dann und wann zu solchen Szenen:

Da musste man dann mal testen, wie tief das Wasser war.

Dass man in Argentinien durch Flüsse durchfährt, das ist eigentlich ganz normal! Flussbrücken findet man in jeder Stadt, in jedem Dorf und schon gar immer auf dem Land. Flussbrücken sind errichtete Straßen die DURCH, nicht über den Fluss führen. Wenn es viel geregnet hat, dann sind diese Wege manchmal gesperrt, zumindest in den Städten. Natürlich gibt es auch richtige Brücken, aber die führen nur über die Flüsse, die auch in der Trockenzeit hohes Wasser führen.

Also tauchten auf unserem Weg aufgrund des Hochwassers im Norden gelegentlich Gewässer auf, die weder auf Karten noch sonst wo verzeichnet waren. Und wenn vor diesen Ströhmungen dann auch die einheimischen PKWs umkehrten, dann überlegt man sich seinen Weg durch das nasse Rinnsal etwas genauer.

Mit unserer Blauäugigkeit und Ignoranz, das Hochwasser im Norden zu ignorieren, wenn man in den Norden fährt, wurden wir dann natürlich irgendwann bestraft. Auf unserer letzten Etappe nach Salta (das war unser Gipfelziel), wollten wir unbedingt einen 3000er Pass nehmen. Erstens: Weil wir beide noch nie einen so hohen Pass gefahren sind aber Pässe lieben und diesen somit als Gipfel unserer Sammlung hinzufügen wollten (die höchsten Schweizer Pässe sind nicht über 2000) (okeee, Susten 2,2, aber den ist nur der Götz gefahren); und Zweitens: Weil die Strecke so viel schöner sein sollte als die, nunja, "normale" Strecke, bei der man für knapp 170 Kilometer auch schon über dreieinhalb Stunden einkalkulieren sollte. In aller Herrgottsfrühe haben wir uns also auf den Weg gemacht (angeblich 5 Stunden mit nem 4x4, sagen wir also 8 Stunden mit unserem Kleinen). Wir fuhren also und fuhren, immer schön auf dem Pfad entlang, genossen dabei wirklich die Natur um uns herum:

Wir hatten uns im Vorhinein auch extra mit Coca-Bättern und -bonbons gegen Höhenkrankheit ausstatten lassen und uns diese dann brav vor uns hingelutscht. So fuhren wir und fuhren wir. Es gab da eine Abzweigung, die wir zum Pass genommen hatten, nach knapp 70 Kilometern (und etwa 3 Stunden Fahrt bei den Verhältnissen) ging es für uns nicht weiter. Circa zehn Kilometer vorher rauschten wir an einem kaum merklichen aber doch im Augenwinkel gesehenen Schild vorbei: Road closed. Hmm... Unsere Road? Wir dachten uns schon, naja, welche denn sonst? Es gibt ja nur eine... Aber als ob die einen so weit fahren lassen, um dann so ein Schild im Gebüsch aufzustellen? Achja, was denken wir nur so deutsch... Natürlich galt das Schild uns. Wir aber trotzdem: durch den ersten Fluss, durch den zweiten Fluss, durch den dritten Fluss? Der sah dann doch etwas reißend aus... Der Wagen wurde abgestellt, wir stiegen aus und inspizierten. Ich wurde fast weggeschwemmt, Götz stand knieteief im Wasser und fragte mich ob ich wüsste, wie tief ein Golf fahren könnte bis der Motor absäuft?! Ich wusste das nicht! Also kam er erstmal zurück, wir haben eine Pinkel- und Trinkpause eingelegt und gegrübelt. Danach haben wir uns nochmal vorgewagt, waren uns aber aufgrund der Steinsituation unter Wasser wirklich unschlüssig ob das jetzt machbar sei. Es folgte eine Diskussion: Vernunft oder Herz? Feige oder Mutig? ... Was sollen wir denn jetzt machen? Ich denke wir haben eine vernünftige Entscheidung getroffen, auch wenn sie hart war, denn wir waren so weit gekommen und hatten schon so viele Cocablätter und Höhenmeter gefressen, aber wir mussten umkehren. Es war jetzt schon nach Mittag, wir wussten ja auch nicht wie viele Flüsse noch kommen würden und wir waren schon auf knapp 3200 Metern... Auf einer gesperrten Straße! Also... wir mussten die 70 Kilometer wohl oder übel wieder zurück, die uns auf die "normale" Piste bringen sollten. Mies! ...Nochmal die drei Stunden

...Es sollten mehr werden. Denn nach dem rückwärts gerechneten ersten Fluss hat unser Reifen etwas zu schief auf einen ungeheuerlich spitzen Stein aufgesetzt.

Reifenwechsel! Nun hatten wir also auch kein Reserverad mehr. Ich weiß, wir haben davor schon vieles geschafft, viele metertiefe Schlaglöcher überstanden und weitaus schlimmere Flüsse durchfahren, aber da hatten wir stets ein Reserverad! Was war das nun ohne Reserverad für ein psychologischer Unterschied! Wir konnten uns damit beruhigen, dass unsere Autovermietung zumindest argentinisch gedacht hat, denn das Reserverad stand den anderen drei Rädern in nichts nach! Also: mitten in der Pampa ausgewechselt und weiter gings. Nach knapp drei Stunden waren wir endlich da: Asphaltstraße! Juchheissassa, uns kann nix mehr passieren! ...dachten wir. Doch dann...

...dann kam die Wolke.

Ach wie naiv wir doch waren. Wir fuhren natürlich über einen anderen Pass drüber. Und was für einen (mir fehlt hier das Emoticon des Grauens)... Es fehlen nun Fotos... Man hätte darauf aber eh nur weiß gesehen... Denn kaum waren wir in der Wolke drin, ihr könnt es euch vorstellen, war die Sicht gleich null. Zero! Nada! Vielleicht nen halben Meter... Schrittgeschwindigkeit war angesagt, die Straße hörte nach nem halben Kilometer wieder auf: Steinschlag, der nicht wirklich weggeräumt wurde, hatte den Asphalt in die Tiefen gespült. Überall lagen riesige Brocken, nach jeder zweiten Kurve wieder ein reißender Bach. Einspurig, doch trotzdem Gegenverkehr. Lastwagen, Kleintransporter, alles erdenkliche an Fahrzeuggrößen kämpfte sich nach oben während wir uns mit unserem Mini nach unten kämpften. Straße war kaum noch zu fühlen, keine Ahnung wie oft wir aufgesetzt haben... Irgendwann auf halber Strecke konnten wir wieder nach unten sehen, mir wäre es lieber gewesen, wenn nicht... Oh mein Gott, ich war so froh dass Götz fuhr! Ehrlich. Ich hab eigentlich keine Problem die schlimmsten Straßen aller Zeiten zu fahren, aber da kannte ich diesen Weg noch nicht, echt! Es war die Hölle. Was noch erschwerend hinzukam waren die Pferde, die Kühe, die Hunde, die urplötzlich vor uns standen. Es war ein Bremsen auf nassestem Untergrund, ein Kurvendilemma, ein Flusstauchen. Dazu kam die Dämmerung. Wir waren ja mittlerweile schon Stunden unterwegs! Irgendwann waren wir dann endlich unten, doch der Blick auf die Karte verriet schnell, dass wir nochmal hoch müssten, über einen letzten Berg, um endlich auf die richtige Straße nach Salta zu kommen. Gut! Weiter! Im Schritt. Kurve für Kurve. Irgendwann kamen wir sogar an ein Fahrzeug vor uns heran, dem folgten wir eine Weile. Kurzzeitig hatten wir sogar wieder Asphalt - welch eine Erholung! Aber, wirklich nur kurzzeitig. Der Wagen vor uns bremste irgendwann scharf, bog dann gleich darauf eine Böschung links runter. Was war geschehen? Wir sahen es einen kleinen Augenblick später: Unsere Straße war wegen Steinschlag gesperrt. What???? Bis hierhin jetzt und nicht weiter? Das kanns doch nicht sein! ...Wir folgten dem Wagen vor uns die Böschung runter und blieben zwanzig Meter später auf dem Hang stehen. Vor uns durchzog ein reißender Fluss die Straße. Wir guckten uns an, still übereinstimmend machte Götz in der Finsternis den Motor aus und wir stiegen aus. Als wir unten beim Fluss standen konnten wir unsere eigenen Worte nicht mehr verstehen, so laut war es. Wir dachten nur: scheiße. Was machen wir jetzt? Jetzt stehen wir hier... Zum Glück waren wir nicht alleine, denn die Straße war ein recht befahrener Weg nach Salta. Zwar waren wir der einzige PKW auf weiter Flur, doch das machte ja erstmal nichts, denn immerhin gabs noch andere Menschen. Dennoch: Es schien das Ende. Die 4x4s und LKWs bahnten sich ihren Weg durch den Fluss, während wir verzweifelt auf einen anderen Kleinwagen warteten, der uns ein Vorbild sein könnte... Ich fing an zu rauchen! Das mach ich sonst nie. Zumindest nicht ohne Bier. Aber ich war gestresst. Was sollte das jetzt bedeuten? Den ganzen Weg wieder zurück? Das würden wir niemals schaffen, vor allem nicht bei Nacht. Das hieß: wir müssten hier übernachten und unser armer Vermieter in Salta würde Stunde um Stunde auf uns warten und sich womöglich Sorgen machen... Ach herrje und wir hier ohne Empfang und gefangen von den Fluten... Was also nun? Wir haben versucht die andere Strecke abzulaufen, eine Möglichkeit zu finden, unseren Wagen über den Steinschlag zu katapultieren. Das scheiterte aber leider am Ende der Strecke. Eine nicht überwindbare Mauer von Steinen versperrte den Weg. Also marschierten wir wieder am Fluss... Ehrlich gesagt der Götz, denn ich blieb beim Auto stehen. Aber kein PKW kam und machte uns erfolgreich vor, was wir nachzuahmen versuchen wollten.

Dennoch, die Sache ging glimpflich aus. Ein paar einheimische Indianer mit 4x4 hatten Erbarmen mit uns. Sie erklärten uns, wir könnten es schaffen, aber wir müssten Nerven bewahren. Denn nach dem Fluss kämen noch zwei weitere Flüsse und die seien noch breiter und noch rauer als dieser hier. Na herrlich! Aber sie würden uns den Weg vorfahren, den wir am besten fahren könnten, bis zum Ende, und danach sei alles gut! Okay! Danke ihr.... ääähm... mindestens 15 Leute aus dem Auto, die da plötzlich ausstiegen? ...Kurz und gut: Es hat funktioniert. Wir haben es geschafft, wir haben die richtige Straße nach Salta gefunden, kein weiterer Reifen ist geplatzt, obwohl es einmal wirklich heikel wurde, und wir haben auf den knapp 50 restlichen Kilometern kein einziges Tier überfahren, keinen Fahhradfahrer mitten auf der Straße mitgenommen, keine fußballspielenden Kinder und keine bescheuerten Hunde und Katzen erwischt. Selbst den Abendverkehr in Salta, der uns am Ende diese schrecklichen Tages noch als größter Schrecken erschien, haben wir unfallfrei überstanden.


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