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San Francisco


Die letzte Etappe unseres Roadtrips führte von Santa Cruz nach San Francisco. Es war nun nicht mehr sonderlich weit. Wir fuhren zunächst von der Küste landeinwärts in den Redwoods State Park, ein Nationalpark mit riesengroßen sehr alten Bäumen! Es war wunderschön, ein tolles Erlebnis hier durchzufahren. Wir waren völlig beseelt und vergaßen natürlich Fotos zu machen! Mitten zwischen diesen Baumriesen kamen wir an einer Poststation und einem kleinen Café vorbei. Wir stiegen aus, kauften uns einen Pot Kaffee und ein Brötchen. Wir mampften während der Fahrt, weil es zu kalt war, hier oben!

Sobald man hier in Kalifornien die Küstenregion verlässt, das fiel uns jetzt schon ein paar Mal auf, wird die Landschaft spektakulär. Zwischendurch waren wir richtig traurig, dass wir nicht länger hier sein können werden, denn wir glauben, dass sich die kalifornische Natur wirklich lohnt. Die Städte hier haben uns bisher eher schockiert in Anbetracht der sozialen Ungleichheit und der Ödnis, doch in der Natur fühlten wir uns pudelwohl und wollten eigentlich mehr davon! Wahrscheinlich würde uns jedoch ein längerer Aufenthalt in den finanziellen Ruin treiben und wir hatten uns jetzt nun einmal für die Küste entschieden. So ist das eben, auf der Reise. Man muss immer wieder Kompromisse machen und ist irgendwie dann doch auch ständig bedrückt in Anbetracht dessen, was man alles außen vor lassen muss.

Die Bäume hier waren mächtige Riesen und stumme Zeugen längst vergangener Zeiten. Wir empfanden Ehrfurcht, während wir in unserem Cabrio, eingemummelt in alle Klamotten, die wir hatten, mit offenem Verdeck durch die Wälder fuhren. Die Musik ist aus, es gab nur uns und den Wind, der durch die Bäume wehte.

Auf dem Rückweg zur Küste kamen wir in einem sehr kleinen Dorf vorbei. Wir stiegen wie fast immer aus, um das einzige Café aufzusuchen und einen Kaffee zu bestellen. Das Café war gleichzeitig ein Second Hand Laden und ein kleines Kino. Wir jauchzten auf vor Freude, guckten uns um und durchstöberten das Angebot. Es lief knisternd eine alte Platte aus einer Sammlung, die man auch kaufen konnte, und wir summten zu irgendeinem Beatles Song. Die Leute, die hier ihren Kaffee tranken lasen Zeitung oder in einem Buch. Wir fühlten uns pudelwohl und wollten am liebsten bleiben und uns in ein kleines Zimmer einmieten, das hier bestimmt irgendjemand vermieten würde! Ausgerechnet heute hatten wir aber einen Termin! Es konnte nicht wahr sein! Da suchen wir seit wir hier waren nach Orten wie diesem und jetzt saßen wir hier unter Cowboys in einem Secondhand Café und mussten weg. Denn heute, so hatten wir uns ausgerechnet, würden wir in San Francisco ankommen, müssten die Lady unserer kleinen Wohnung treffen und irgendwann auch das Auto zurück geben. Herrlich blöd.

Wir gingen also noch kurz auf's Klo und setzten unsere Reise fort.

Der letzte Küstenabschnitt zwischen Santa Cruz und SF ist wunderschön! Wir waren innerlich ein bisschen aufgeregt, denn schließlich haben uns viele, viele Menschen erzählt, dass wir uns pudelwohl fühlen würden, in der Stadt.

Zwischendurch kamen wir an einem langen Küstenabschnitt vorbei und hielten an. Ehrlich gesagt nur, weil einige Autos auf dem Parkplatz standen und wir neugierig waren und uns fragten, was sie hier wohl suchten. Wie gut, dass wir uns das gefragt haben, denn: Taddaa, guckt mal, wen wir getroffen haben:

Irre, oder?

Es war so süß! Wir haben nicht versucht sie zu zählen ;)

Aber wir waren hingerissen und haben uns köstlich amüsiert, sehr, seeehr viele Fotos und einen kleinen Spaziergang gemacht. Der Küstenabschnitt war sicher einen halben Kilometer lang (oder länger?) und er war übersät mit Seelöwen, die sich gegenseitig anbellten. Am lustigsten ist es, wenn sie versuchen sich zu kratzen!

Nun war es nur noch ein Katzensprung!

Nachdem wir uns von den Seelöwen losgerissen haben, fuhren wir sehr enthusiastisch weiter. Es war nur noch ein kurzer Weg in die City.

Als wir ankamen waren wir sogar noch ein bisschen zu früh für unser Date und genossen das Ankommen und ziellose Umherfahren. Wir fuhren durch Downtown hindurch und die umliegenden Hills hoch, von denen aus wir uns einen herrlichen Überblick über San Francisco verschaffen konnten. Das Wetter war superschön, der Spitzname der Stadt, Fog City, tat erst ein paar Tage später seinem Namen Ehre.

Wie man sieht war es aber etwas stürmisch. Wir nahmen uns einmal mehr vor, shoppen zu gehen, damit wir uns endlich ein bisschen wärmer anziehen können, aber wir haben es einfach nicht gebacken bekommen und froren weiter. Naja, wir versuchten es ja auch erst seit zwei Wochen ;). Nur noch knappe 10 Tage bis zur Heimreise, die halten wir auch noch durch, sagten wir uns ein paar Tage später.

Nachdem wir uns also ein bisschen umgeschaut hatten, nahmen wir unseren Weg in die Westwood Highlands auf, wo Dawn, unsere Gastgeberin auf uns wartete.

Dawn war in den 68ern 20 Jahre alt und lächelte breit in der Erinnerung an die guten alten Zeiten. Heute wohnt sie hier in den Westwood Highlands, in einem kleinen Bezirk außerhalb des Stadtzentrums, in einem kleinen Häuschen mit einem magischen und wunderschönen, fast schon etwas zauberhaften kleinen Garten. Wenn wir rauchen wollen, sagte sie, sollen wir bitte raus gehen oder in die Garage. Rauchen sei nämlich in der Wohnung nicht gestattet, nur kiffen ist erlaubt! Wir lachten herzlich über diese durchaus ernst formulierte Hausregel und quatschten noch ein bisschen mit unserer äußerst sympathischen Gastgeberin. Früher war hier in der Ecke mit Sicherheit noch etwas mehr los, jetzt ist man aber immerhin noch gut an die Öffis angebunden und kommt überall schnell hin. Es gäbe auch einen Supermarkt ganz in der Nähe und ein paar kleine Restaurants, so beschreibt uns Dawn unser Zu Hause der nächsten vier Tage.

Als wir auf Erkundungstour gingen fanden wir jedoch nur ein chinesisches Restaurant und den Supermarkt. Ansonsten fiel uns ziemlich schnell auf, dass wir die einzigen Menschen auf der Straße waren. Das änderte sich auch nicht, als wir uns aus unserem Bezirk heraus bewegten. In manchen Parks trafen wir noch ein paar andere Leute, die mit ihren Hunden oder mit ihren Drohnen spazieren gingen. Wir entwickelten Phantasien, die Dinger abzuknallen! Das hatte uns schon an manch anderem Ort auf unserer Reise ziemlich gestört: Die Leute, die mit ihren Drohnen rumfliegen und alles filmen. Hallo?! Drehgenehmigung??? In Australien waren extra noch Schilder an den Stränden aufgestellt: Drohnen verboten!; aber auf dem amerikanischen Kontinent (v.a. in Costa Rica und hier), wird hemmungslos rumgeflogen, gefilmt und sonst was gemacht. Hier in San Francisco beobachten wir ein Pärchen, das mit der Drohne unterwegs war. Der Mann freute sich ein Schnitzel, probierte sämtliche Tricks aus und quatschte aufgeregt auf seine Frau ein, der die Langeweile ins Gesicht geschrieben steht. Irgendwann griff sie zum Handy und begann zu telefonieren, aber der Mann bemerkte es gar nicht und zog mit seinem Spielzeug munter seine Bahnen. Wir vermuteten dass sich die Frau auch total über den Abschuss gefreut hätte ;)

Aber wie dem auch sei! Abgesehen von diesen zwei Konstellationen im Park (Menschen mit Hund und Menschen mit Drohne) sind uns kaum andere Menschen begegnet. Irgendwie richtig komisch. Es fiel uns auch ziemlich schnell auf, wir fühlten uns wie in einer Geisterstadt.

Das änderte sich schlagartig als wir nach Downtown kamen.

Hier wuselte es vor sich hin, wie in jeder normalen anderen Stadt. Die Leute hasteten über die Straßen, machten Mittagspause in den zahlreichen Imbissen und Restaurants, erledigten ihre Einkäufe oder hingen in Buchläden rum. Ein ganz normales städtisches Leben eben, das gefiel uns.

Wir zogen ein bisschen in der Menschenflut mit, gelangten nach Chinatown und ausgerechnet da entschied sich Götz zum Friseur zu gehen :). Er war der einzige Kunde und am Anfang waren wir unsicher, ob das so ein gutes Zeichen ist. Als die Friseurin dann auch noch mit der Maschine bewaffnet anrückte und zu rasieren begingen wollte, drückte Götz nochmal ausdrücklich seine Wünsche aus. Sie lächelte und nickte und begann. Wie sich herausstellte war sie eine Meisterin an den Rasierapparaten und betrachtete Götz neue Frisur als überaus wichtige Aufgabe. Bald kam ihre Familie in den Laden uns gesellte sich zu uns. Der eine Sohn hatte Geburtstag und durfte sich ganz viele Süßigkeiten aussuchen, die er in liebevoller Aufopferung mit seinen Geschwistern teilte und manche Einzelstücke sogar an seine jüngere Schwester abgab. Als wir fertig und Götz neu frisiert war, bedankten wir uns und schlenderten ein bisschen weiter durch die Straßen. Chinatown ist im übrigen nicht zu vergleichen mit Chinatown in Sydney oder London. Irgendwie ein bisschen langweilig!

Downtown an sich gefiel uns auch nur auf den ersten Blick. Auf den zweiten Blick wirkte irgendwie alles relativ hergerichtet. Wir sind rumgelaufen und haben Plätze gesucht, die uns anziehen und die wir auskundschaften wollten. Irgendwann fanden wir das berühmte City Lights Books und stöberten ein wenig herum. Der Laden war wirklich sehr schön und auch sehr groß. Und weil wir gerne in Bücherläden verschwinden, blieben wir auch erstmal hier.

Als wir mit Stöbern fertig waren, wurde es schon fast dunkel und wir hungrig! Auf der Suche nach etwas Essbarem fanden wir eine sehr nette Kneipe, in die wir einfach reingehen und ein Bier trinken mussten! Sie war nicht nur von außen, sondern auch von innen anziehend. Alles war total süß gemacht, die Wände hingen voller alter Plakate, Zeitungen und Bildern, auf einer kleinen Leinwand wurden die ersten existierenden pornografischen Fotos gezeigt und überhaupt hatte man das Gefühl, eine kleine Zeitreise gemacht zu haben. Es war herrlich, wir saßen auf der kleinen Empore, schauten runter in den Laden und tranken unser Bier.

Zwischendurch gingen wir in die Gasse vor der Tür und rauchten eine Zigarette. Dabei fühlten wir uns wie in einem Film (die Gasse war auch filmreif!) und machten deswegen extra ein paar Selfies, damit wir uns an das Gefühl erinnern können. Aber die wurden so fürchterlich peinlich, dass wir das Schlimmste davon meinen Schwestern schickten, damit sie was zu lachen hatten, aber danach nie wieder einen Blick drauf warfen. Also tut mir Leid, was nicht geht geht nicht! Während wir schmökerten trafen wir ein paar Straßenmusiker und ein paar Junkies. Wir quatschten etwas und zogen irgendwann weiter. Am Anfang war's ja noch ganz lustig, aber am Ende verstanden wir nicht mehr allzu viel und fühlten uns auch nicht mehr ganz so wohl.

In den kommenden vier Tagen zogen wir durch San Francisco und suchten nach dem, was die Leute uns zu lieben versprochen hatten. Aber mit San Francisco ist es wahrscheinlich auch nicht anders, als mit den Städten, die wir bisher in Kalifornien kennengelernt hatten. Der Charakter muss irgendwann in den letzten Jahren verloren gegangen sein. Nur hier kam es uns besonders schmerzlich vor. Das Silicon Valley nimmt die Stadt immer mehr ein. Die Normalsterblichen können hier nicht mehr leben. Dawn erzählte uns, dass sie es nur deswegen kann, weil ihre Eltern ihr das Haus vermacht haben und sie es immer wieder an Gäste vermietet. Aber das Geld hat hier längst Einzug gehalten.

Die Menschen, die man so trifft, die trifft man lediglich in Downtown, weil sie dort arbeiten, oder an bestimmten Touri-Orten. Selbst die Straßenmusiker, die wir kennengelernt haben, kamen nicht von hier.

Je näher man also dem Zentrum kommt, desto belebter werden die Bürgersteige. Aber es sind nicht die Menschen, die sich Richtung Downtown bewegen, nein. Die fahren nämlich alle mit dem Auto. Die Leute die man auf dem Weg trifft sind Drogensüchtige und Obdachlose. Götz und ich haben noch nie so viele Junkies gesehen wie in dieser Stadt! Diese Bilder des Gruppenverfalls auf der Straße werden uns wahrscheinlich noch sehr lange begleiten. Wir waren so schockiert! In den Augen dieser Leute war kein Leben mehr zu finden. Wer einmal dort hängen bleibt, kommt nie wieder da raus. So viel war uns sofort klar. Hier, auf den Straßen San Franciscos, findet man das traurige Ende unter Unbekannten.

Wir dachten ja in unserer naiven Art, dass wir schon ein bisschen abgebrüht oder vielleicht auch vorgewarnt waren, von den Szenen, die wir in L.A. vorgefunden hatten, aber hier war es schlimmer. Auch hier gab es Zelte, aber dazu kamen Zombies! Wir haben die entsetzlichsten Szenen beobachtet, sind über vor sich hin vegetierende Leute drüber gestiegen und konnten einfach nicht fassen, was wir hier vorfanden. San Francisco mit seinen Superreichen und mit seinen Halbtoten ist mit Sicherheit nicht das, was unsere Freunde im Kopf hatten, als sie erzählten, wie schön wir es in dieser Stadt finden würden. Die Zeit in Amerika oder zumindest in Kalifornien scheint voran zu rasen. Immer weiter, immer schneller Richtung Zukunft. Wer nicht mitkommt, bleibt zurück. Es ist die traurige Wahrheit.

Götz und ich entscheiden uns nach zwei Tagen des Herumtreibens, das Schöne in der Umgebung San Franciscos zu suchen.

Und da fanden wir es auch!

Weil wir unser Auto ohne Aufpreis noch ein wenig länger behalten konnten, fuhren wir nochmal los. Wir fuhren über die Golden Gate Bridge, die uns beiden irgendwie ein Gefühl des Triumphes gab, wie wahrscheinlich jedem, der zum ersten Mal auf dieser Brücke ist. Sie ist wirklich wunderschön und das Wetter war ein kleines Träumchen.

Wir fuhren nach Norden!

Götz' Bruder Jörg fährt immer nach Stinson Beach in den Urlaub, wenn er beruflich nach Kalifornien muss, und schwärmt jedes Mal sehr von diesem kleinen Örtchen am Meer. Also haben wir Stinson Beach zu unserem Ziel auserkoren. Wir dachten, dass das Meer und ein schöner weiter Strand jetzt genau das Richtige für uns sind. Die Fahrt war herrlich, bald schon ließen wir die große Stadt hinter uns und fuhren durch satte Wälder und über lange Serpentinenstraßen.

Wir waren leider beide ein bisschen gereizt während der Fahrt, wahrscheinlich, weil wir beide einfach etwas enttäuscht waren von diesem Kapitel unserer Reise. Es war so traurig, dass dieser Traumurlaub, den wir vor Augen hatten und uns nochmal gönnen wollten, bevor wir nach Hause zurückkehren würden, sich irgendwie anders anfühlte... Die Landschaft und der Trip an der Küste haben uns zwar wahnsinnig gut gefallen, aber wir hatten natürlich beides im Blick: Stadt und Land! Und von ersterem waren wir einfach schockiert und enttäuscht. Mehr noch: Wir blickten ein bisschen auf unsere eigene Zukunft in Europa - und die gefiel uns gar nicht und desillusionierte uns vollkommen. Wir waren nach all den Monaten in Natur und Frieden irgendwie einfach nicht vorbereitet auf diesen kapitalistischen Wahnsinn!

Doch als wir schließlich über die Hügelkette kamen und auf die Lagune schauten, die vor uns lag, da wurde es uns dann auch wieder etwas wärmer ums Herz. Wir fuhren hinunter, machten auf dem Weg noch ein Foto für den Jörg und gingen ein bisschen am Strand spazieren.

Als wir nach San Francisco zurückkehrten, hatten wir einen etwas anderen Blickwinkel auf die Stadt einnehmen können. Wir versuchten sie einfach als das Erbe dessen wahrzunehmen, was sie einmal gewesen ist. Was wir heute noch vorfinden ist nichts weiter als eine Kulisse, als eine Hülle, die noch immer steht, obwohl wir uns in längst erneuerten Welten befinden. Und diese Kulisse kann wirklich schön sein, wenn man genau hinguckt.



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